Handreichung
Im Fallrepositorium der AG ethik learning (AEM) werden Fallbeschreibungen veröffentlicht, die bei Nennung der Quelle ohne Copyright-Einschränkung von Dozierenden für die Ethik-Lehre in genutzt, verändert und wieder veröffentlicht werden dürfen (Creative Commons). Die Fälle wurden durch Fallspenden zur Verfügung gestellt und im Rahmen eines Peer Review Verfahrens fachlich geprüft.
Diese Handreichung enthält Hinweise für die Fallspende sowie für die Fallnutzung. Sie soll interessierten Personen Orientierung geben, um Fallbeschreibungen veröffentlichen und die Chancen und Grenzen der Nutzung von Fällen in diesem Repositorium bewerten zu können.
Bitte lesen Sie zunächst unsere Hinweise zur Fallspende aufmerksam durch, bevor Sie einen Fall für das Fallrepositorium der AG ethik learning spenden. Sie sind folgendermaßen gegliedert:
- Fallauswahl
- Ethik der Fallspende
- Hinweise zur Bereitstellung einer Fallbeschreibung
Wir suchen Fall- und Anwendungsbeispiele, die das (professionelle) Handeln im Umgang mit Gesundheit und Krankheit thematisieren. Mit Fällen bezeichnen wir Situationsbeschreibungen, in denen moralische Unsicherheit, ein moralischer Konflikt, ein moralisches Dilemma oder ein moralisch fragwürdiges Handeln sichtbar gemacht werden kann. Die Situationsbeschreibungen sollen alle relevanten Fakten beinhalten, die notwendig sind, um sich ein moralisches Urteil bilden zu können. Die kurzen Erzählepisoden sollen Situationen beschreiben, in denen Entscheidungen getroffen werden müssen. Häufig sind das Entscheidungen, bei denen etwas auf dem Spiel steht, bei denen es um Dinge geht, die Menschen wichtig sind. Es sollen Situationsbeschreibungen sein, die eine ethische Reflexion eröffnen können. Meist handelt es sich um Entscheidungen, die auf der Basis ethischer Anforderungen an Handelnde zu treffen sind. Ethische Anforderungen können Prinzipien, Werte, Normen und Tugenden beinhalten. Anhand der Fälle kann zum Beispiel die Spezifizierung von ethischen Anforderungen in eingeübt werden. Die meisten Fallbeschreibungen enden mit der Frage „Was soll der*die Protagonist*in tun?“, um eine Positionierung anzuregen, die dann im nächsten Schritt argumentativ vertreten werden soll.
Wir sammeln Fälle aus verschiedenen Lehrbereichen. Diese Lehrbereiche können moralisches Handeln im direkten oder indirekten Umgang mit hilfesuchenden Menschen thematisieren, wie etwa die Ethik der Versorgung von Patienten und Patientinnen (Klinische Ethik) oder die Ethik in der Begleitung von Menschen in gesundheitsbezogenen Hilfeeinrichtungen (Ethik in der Sozialen Arbeit). Darüber hinaus suchen wir Fälle, in denen das (kollektive) moralische Handeln von Forschenden sichtbar gemacht wird oder Fälle, in denen Public-Health-Maßnahmen beschrieben werden.
Die Situationen müssen nicht authentisch sein. Es genügt, wenn die Texte realistische Situationen beschreiben, die so vorkommen könnten.
Die Herstellung guter Lehrmaterialien ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Die folgenden Werte sollen Fallspenden für das Fallrepositorium anleiten: Schutz der Persönlichkeitsrechte der Fallbeteiligten (Prüfung der Anonymisierung), Sachliche Darstellung der Fallgeschichte (Sprachliche Prüfung), Aktualität der Fallbeschreibung (Fachliche Prüfung), Urheberrechtsschutz (Plagiatsprüfung) und Einverständnis in die Fallveröffentlichung (Prüfung der Einverständniserklärung).
Das Fallrepositorium wird von einem Peer-Review-Verfahren begleitet. Reviewer*innen sind aktive Mitglieder der AG ethik learning, die über ausgewiesene Erfahrung in dem Lehrkontext verfügen, für den der Fall eingereicht wurde. Sie prüfen, ob die ethischen Grundsätze in der Fallveröffentlichung gewahrt sind.
Schutz der Persönlichkeitsrechte und Prüfung der Anonymisierung der Fallgeschichte
Beruhen die Fallgeschichten auf realen Begebenheiten ist eine sorgfältige Anonymisierung der beteiligten Personen, Orte und anderer relevanter Merkmale notwendig, um die Persönlichkeitsrechte der beteiligten Personen zu wahren. Durch die Anonymisierung soll die Identifizierbarkeit der Protagonisten/Protagonistinnen verhindert werden. Sie ist dann ausreichend erfolgt, wenn eine Person nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand identifizierbar ist.
Manchmal kann eine Veränderung von Fakten notwendig sein, um die Identifizierbarkeit der Person zu verhindern oder zu erschweren. Dabei sind entweder Maßnahmen der Vergröberung oder der Verfremdung bzw. Pseudonoymisierung von Merkmalen zu empfehlen. Eine Vergröberung bedeutet zum Beispiel, ein Merkmal, zu verallgemeinern (Beispiel: Ein Osteosarkom wird zur Krebserkrankung). Eine Verfremdung bedeutet zum Beispiel, den Namen, das Alter oder das Geschlecht (usw.) zu verändern, z.B. wird aus Christian wird Thomas, oder aus Friseurin wird Kosmetikerin. Das ist natürlich nur dann zweckdienlich, wenn die veränderten Merkmale nicht entscheidend für die Urteilsfindung sind.
Sachliche Darstellung und sprachliche Prüfung der Fallgeschichte
Die Fallgeschichte selbst sollte möglichst sachlich dargestellt werden, ohne bereits Bewertungen von Handlungen oder Handelnden vorweg zu nehmen. Sie sollte unter Verwendung von gendergerechter Sprache geschrieben sein. Menschen sollten nicht mit Termini beschrieben werden, die von Vertreter*innen der Interessen von Gruppen, zu denen sie gehören, abgelehnt werden. Ein Beispiel wäre anstatt von „mongoloiden Kindern“ von Kindern mit Trisomie 21 oder Down Syndrom zu sprechen.
Aktualität der Fallbeschreibung und fachliche Prüfung
Die Fallgeschichte soll keine fachlichen Fehler beinhalten und in der gegenwärtigen Ethik-Lehre in einem europäischen Industrieland als realistisch betrachtet werden können. Die Maßnahmen und Handlungen, die in der Fallgeschichte thematisiert werden, sollen aktuell noch zum Einsatz gebracht werden. Das schließt allerdings nicht Fallbeispiele aus anderen Ländern aus, in denen der westliche Behandlungsstandard nicht verfügbar wäre oder in denen bessere Behandlungsstandards herrschen. Es könnte hilfreich sein, dass dann auch der Kontext, in dem die Fälle betrachtet werden sollen, mit erläutert wird.
Professionelle Handlungen, sollten beispielsweise dem State of the Art im jeweiligen Fachgebiet entsprechen. Die Rollen, Maßnahmen und Techniken, die erwähnt werden, sollen zeitgemäß für den deutschsprachigen Kontext in Europa dargestellt sein. Ein Beispiel für eine veraltete Maßnahme in einem Gesundheitswesen in einer Industrienation wäre ein Fall, bei dem eine Blutkonserve zum Aufwärmen an den Körper des/der Patienten/Patientin gelegt wird. Heutzutage wird diese Maßnahme durch Maschinen durchgeführt. Unpassend könnte z.B. auch eine Übertragung eines Falles aus dem Englischen ins Deutsche sein, der berufliche Rollen beschreibt, die in anderen Ländern anders gefasst sind. Das kann zum Beispiel die Beschreibung einer akademisierten Pflegekraft in den USA betreffen, die in Deutschland ihren Beruf mit anderen Aufgabenprofilen ausüben würde.
Urheberrechtsschutz und Plagiatsprüfung
Veröffentlichte Fallbeschreibungen zum Beispiel in Fachpublikationen oder digital zugänglich Medien (z.B. Webseiten) unterliegen in der Regel einem Urheberrechts- und Kopierschutz. Sollen sie wortwörtlich veröffentlicht werden, müssen Fallspender*innen das Recht auf ihre Veröffentlichung besitzen. Der Schutz besteht für das Werk, also die textliche Fassung der Fallbeschreibung und Layout, nicht auf die Ereignisse, die der Fallbeschreibung zugrunde liegen. Daher ist es unbedenklich, wenn Fallbeschreibungen in eigenen Worten nacherzählt werden. Auch eine Verfremdung einer Fallbeschreibung ist möglich, um beispielsweise Fallgeschichten zu vereinfachen oder auf eine Entscheidungssituation zuzuspitzen. Beruht die Fallbeschreibung auf einem veröffentlichten Fall, soll die Quelle angegeben werden, damit die Gutachter*innen des Fallrepositoriums eine Plagiatsprüfung durchführen können.
An einer Fallspende können verschiedene Personen beteiligt sein. Wir definieren zunächst die Rollen, in denen sie tätig werden können und geben dann an, wer welches Einverständnis geben muss, um die Veröffentlichung eines Textes zu autorisieren.
Protagonist*in
Protagonisten/Protagonistinnen sind Personen, deren Handeln in der Fallbeschreibung im Mittelpunkt steht. Sie können zum Beispiel diejenige sein, aus deren Perspektive eine Situation beschrieben wird, in der z.B. moralische Unsicherheit, ein moralischer Konflikt, ein moralisches Dilemma oder ein moralisches Handeln in Frage steht. In einer Fallbeschreibung kann es mehrere Protagonisten/Protagonistinnen geben (z.B., wenn eine interprofessionelle Zusammenarbeit oder das Handeln einer Familie beschrieben wird). Neben den Protagonisten/Protagonistinnen können weitere Akteure vorkommen, die eine wichtige Rolle für die Fallgeschichte spielen. Darüber hinaus kann auch das Handeln von Kollektiven oder Institutionen beschrieben werden, die implizit oder explizit mehrere Personen betreffen. Eine Ethikkommission oder ein Ethikkomitee wäre z.B. ein handelndes Kollektiv, dessen Entscheidung in Frage stehen könnte.
Autor*in
Autoren/Autorinnen sind Personen, die den Text über die Situation oder Episode geschrieben haben. Es besteht auch die Möglichkeit, dass mehrere Autoren/Autorinnen den Text gemeinsam geschrieben haben. Fallspende und Autorschaft können, aber müssen nicht in einer Hand liegen. Autoren/Autorinnen können auch einen Fall „bergen“, indem sie mit Protagonisten/Protagnistinnen über eine Erfahrung sprechen und diese verschriftlichen.
Fallspender* in
Fallspender*innen sind Personen, die die Fallspende im Fallrepositorium der AG ethik learning einreichen. Sie verantworten die Fallbeschreibung, d.h. sie tragen die Gewähr für den Text, mit dem eine Situation bzw. Episode beschrieben wird. Fallspender*innen sind Ansprechpartner*innen für Rückfragen zur Fallbeschreibung und müssen daher als einzige von Gutachter*innen und Fallnutzer*innen kontaktiert werden dürfen. In der Einreichphase ist sie die Kontakt-Person für die AG ethik learning, und beantwortet Fragen zum Fall. Sie reicht den Fall in das Fallrepositorium ein. Die Person soll über das Copyright für die Fallbeschreibung verfügen, aber muss den Fall nicht selbst geschrieben haben. Sie kann zum Beispiel auch einen aus einem Lehrbuch entnommenen Fall selbst umgeschrieben haben. Autoren/Autorinnen können auch bewusst ihre Fallbeschreibung mit Copyright an eine*n von ihnen unabhängige*n Fallspender*in übertragen, um die Anonymität der Beteiligten zu schützen.
Einverständniserklärung
Protagonisten/Protagonistinnen oder andere Akteure in der Fallgeschichte müssen – anders als bei der Zeitschrift Ethik in der Medizin – nicht ihr Einverständnis in die Fallveröffentlichung geben. Entscheidend für die Legitimität der Veröffentlichung ihrer Fallgeschichten ist die Anonymität der Akteure, die in der Fallschilderung erwähnt werden. Auch Autoren/Autorinnen müssen nicht ihr Einverständnis in die Fallveröffentlichung geben. Sie können Fallspender*innen die Erlaubnis erteilen, die Fallspende an ihrer statt vorzunehmen und damit das Copyright auf die Fallspender*innen übertragen. Fallspendender*innen müssen dann jeweils nachweisen können, dass sie über die Rechte am Text verfügen. Alleinig Fallspender*innen muss ihr Einverständnis zur Veröffentlichung der Fallgeschichte geben. Ihr Name und ihre Kontaktdaten werden mit der Fallbeschreibung veröffentlicht. Sollte ein Verstoß gegen ethische Grundsätze vorliegen, auf deren Basis das Fallrepositorium betrieben wird, behält sich die AG ethik learning vor, Fallveröffentlichungen zurück zu nehmen.
Folgende Fallbeschreibungen werden nicht auf unserem Fallrepositorium veröffentlicht:
- Fallbeschreibungen, bei denen keine Anonymisierung der Fallprotagonisten möglich sind (z.B. identifizierbare Fälle, da prominente oder einzigartige Personen oder Maßnahmen),
- Fallbeschreibungen, die für die beschriebenen Personen oder Gruppen verletzend sein könnten,
- veraltete Fallbeschreibungen, die Rollen, Maßnahmen und Techniken beschreiben, die nicht mehr im Einsatz sind, und,
- Plagiierte Fallbeschreibungen, bei denen Fallspendende nicht über das Copyright verfügen oder nacherzählte Fallbeschreibungen ohne Quellenangaben.
Länge und Ausführlichkeit
Für die Ausführlichkeit und Länge der Fallbeschreibungen gibt es keine strikten Vorgaben. Zwischen 4 Sätzen und mehreren Seiten sind denkbar. Je nachdem, in welchem Lehrkontext Fälle eingesetzt werden, können ausführliche Fallvignetten oder kurze Fallskizzen sinnvoll zum Einsatz gebracht werden. Wichtig ist, dass Fallspender*innen didaktische Hinweise für den Einsatz ihrer Fallbeschreibung übermitteln. Wenn zum Beispiel das Lernziel einer Veranstaltung ist, eine bestimmte Methode für die klinische Ethikberatung oder ein bestimmtes ethisches Framework für die Forschungsethik zur Anwendung zu bringen, kann es sinnvoll sein, Fallgeschichten auch schon durch entsprechend wichtige Informationen anzureichern.
Hinweise zur Fallnutzung
Es handelt sich bei den Fallbeschreibungen nicht zwangsläufig um Datenmaterial über authentische Situationen, das für die Sozialforschung zur Verfügung steht.
Die Fälle im Fallrepositorium können unter Quellenangabe beliebig und variabel für die Lehre genutzt werden. Sie können für die Aus-, Weiter- und Fortbildung genutzt werden. Zum Beispiel dürfen Hochschulen, Schulen und Erwachsenenbildungseinrichtungen Fälle für die Lehre verwenden. Die Fallbeschreibungen dürfen auch geändert, zum Beispiel gekürzt, abgewandelt, vereinfacht oder komplexer gemacht werden. Die Fälle dürfen auch an anderer Stelle veröffentlicht werden, sofern die Quellenangabe referenziert wird.
Sie sollen folgendermaßen zitiert werden:
Beispiel Fallnummer 12:
URL: https://www.medizinethiklehre.de/fallrepositorium/12 (Zugriff: Datum)
Feedback
Es besteht die Möglichkeit, dass Dozierende Fälle kommentieren, die sie in ihrer Lehre zum Einsatz gebracht haben. Dabei geht es uns nicht darum, die Beschreibung zu bewerten, sondern Erfahrungen zu teilen, die anderen Lehrenden helfen könnten, über den Einsatz des Falles zu entscheiden. Hilfreiche Hinweise wären zum Beispiel Beschreibungen der Zielgruppe, die eine Erfahrung mit dem Fall machen konnte, etwa in Bezug auf Ausbildungskontexte, in der ein Lehrangebot verortet war, Vorerfahrung der Teilnehmenden oder Unterrichtsformat, in dem der Fall eingesetzt wurde.
Die AG ethik learning ist auch an Rückmeldungen zum Fallrepositorium insgesamt interessiert. Wenn Sie unser Angebot schätzen oder Verbesserungspotentiale aufzeigen wollen, melden Sie sich bitte per Email (ethik-learning@aem-online.de) oder Kontaktformular bei uns.
Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihr Engagement für die Ethik-Lehre in Gesundheitsberufen und -fächern!
Das Redaktionsteam des Fallrepositoriums der AG ethik learning